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Zum Star geboren

Er wird adoriert wie ein Popstar und machte im Herbst bei einem Nobelpreisträgertreffen beste Figur. Er ist Charismatiker, Weltstar, Forscher und Intellektueller der Oper. Er ist Amerikaner und Österreicher und unablässig um Vermittlung zwischen den Kulturen bemüht. Nächstens am 24. und am 26. Februar: Da bestreitet Thomas Hampson, 49, im Wiener Konzerthaus einen Zyklus amerikanischer Lieder. Wir baten ihn zum Gespräch über Gott, die Welt und den Link zwischen beiden – die Kunst.

NEWS: Ich erreiche Sie im Morgengrauen. Üblicherweise würden Sie mir einen Killer schicken, wenn ich so etwas versuchte. Was tun Sie denn? Wo sind Sie?

Hampson: Ich bin in Pebble Beach, Kalifornien, bei einem der bekanntesten und begehrtesten Golf-Turiniere für Amateure, den AT&T Pebble Beach National Pro-Am. Hier darf man als Am, als Amateur, im Team mit einem Pro – also einem Profi – bis ins Finale aufsteigen und sogar gewinnen. Hier dabei zu sein ist ein ungeheures Privileg und absagen fast tödlich. Clint Eastwood ist der Gastgeber, Kevin Costner ist hier, Samuel L. Jackson, Bill Murray, die größten Wirtschaftskapitäne, dazu die besten Golfer der Welt. Gestern durfte ich mit Phil Mickelson zu mittag essen. Das war aufregend.

Photo: Johannes Ifkovits

NEWS: Und gewinnen Sie?

Hampson: Nein, ich bin längst ausgeschieden. Mein Pro und ich waren leider kein besonders erfogreiches Team.

NEWS: Sie klingen, als ginge Ihnen das zu Herzen.

Hampson: Ja, Golf ist eine meiner Leidenschaften. Wäre ich nicht Sänger, wäre ich sicher Golf-Profi geworden. Ich werde einmal eine Abhandlung über den Zusammenhang von Singen und Golfen schreiben. Es geht um Lebensweisheit, Beherrschung des Nervensystems, Balance, Atemtechnik … vor allem aber muss man zuerst den ganzen Schlag sehen, bevor man wirklich ausholt. Genauso ist es beim Singen: Du musst den gesamten Ton hören, bevor du auch nur ansetzt.

NEWS: Nun sind Sie wieder als Vermittler zwischen europäischer und amerikanischer Kultur unterwegs. Was tut man gegen das vorherrschende fundamentale Misstrauen zwischen Europa und Amerika?

Hampson: Genau daran arbeite ich ja. Politik ist das Ergebnis gegenwärtiger Sachzwänge. Mit unserer Kultur hat das nichts zu tun. Als Künstler und Amerikaner ist es mir ein Bedürfniss zu zeigen, wie reich Kultur und Geistesleben dieses Landes sind, jenseits aller politischen Banalitäten.

NEWS: Sie sind Amerikaner und Wahlösterreicher. Wird man in so einem Konflikt nicht zerrissen?
Hampson: Meine Herzenszerrissenheit in dieser Welt hat viel fundamentalere Gründe: Vernunft und Menschenrecht nehmen ab. Wir hören nicht mehr auf die Dichter, die Komponisten, die Maler. Wir negieren ihren Beitrag zu einer besseren, vernünftigeren, menschlicheren Welt. Und weil immer von Amerika die Rede ist: Ich bin keineswegs sicher, dass wir in Österreich mit unserer Kunst so besonders verantwortungsvoll umgehen. Alles ist kommerzialisiert. Wenn sich Kunst nicht als wirtschaftliches Phänomen rechtfertigen kann, zählt sie nicht und wird auf Eliten abgeschoben. So werden die einen Künstler in die Entertainment-Industrie und die anderen ins Ghetto getrieben.

NEWS: Meinen Sie immer noch ernstlich, die Kunst könnte etwas tun, um die Welt zum Besseren zu wenden?

Hampson: Das ist schon die falsche Frage: Die Kunst muss nichts tun. Sie ist kein Marketing-Instrument und kein Werkzeug der Provokation. Die Kunst hat nichts zu beweisen. Wir müssen beweisen, dass wir sie verstehen. Wir müssen von ihr lernen, hinzuhören, wie andere Menschen denken, fühlen, spielen, flüstern, lieben … Wir stecken mitten in der Globalisierung, aber wir passen nicht auf, was andere Menschen denken, wie sich ihre Kultur darstellt. Wir nehmen gerade noch das Offensichtlichste zur Kenntnis, und das nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Es ist ja schon so weit, dass man der klassischen Musik die Berechtigung abspricht, weil Plattenfirmen die klassische Musik für unverkäuflich erklären. Ich lasse mir aber nicht vom Aktienkurs irgendeiner Firma das Recht auf Gefühle und gute Gedanken absprechen! Auf der anderen Seite flüchten sich die Menschen auf der ganzen Welt aus dem Dilemma, indem sie zum nächsten esoterischen oder spirituellen Buch greifen. Das kann man niemanden übel nehmen. Aber es wird Zeit, zu begreifen, dass es all das in der Kunst seit Tausenden von Jahren schon gibt.

NEWS: Wenn aber die Schulen den Kunst-Unterricht einstellen? Sie selbst sind aus armen Verhältnissen an die Spitze gelangt, weil eine Lehrerin das Nötige erkannt hat.

Hampson: Deshalb habe ich meine Stiftung gegründet, die sich mit Forschung beschäftigt und in besonderem Ausmaß das Internet einbezieht. Ich wünsche mir, dass jemand, der zum ersten Mal Thomas Hampson mit einem Lied von Schubert oder Mahler hört, die Möglichkeit hat, auf der Website meiner Stiftung den großen geistigen Zusammenhang dazu zu finden, auf andere Websites zu gelangen, weiterzusuchen … Es ist mir zu billig, sich immer auf Schulen und Institutionen auszureden. Die Ausbildung der nächsten Generation ist doch Verantwortung jedes einzelnen. Und Wissen ist nicht ein Rucksack voller Qual, den man einem jungen Menschen umschnallt, sondern das Wachstumshormon des Menschseins. Aber vielleicht bin ich ja naiv.

As Simon Boccanegra. With Ferruccio Furlanetto.

NEWS: Sie klingen eher wie ein Guru mit dem Potentzial eines positiven Volkstribunen. Dabei frage ich mich, wie ein quasi Heimatloser, der den Großteil des Jahres in Hotels zubringt, zu seiner Identität finden kann.

Hampson: Natürlich bin ich im Hinblick auf das, was man ein normales Leben nennt, eingeschränkt. Aber auf der anderen Seite ist mein Leben ein einziges Abenteuer, und ich kann meine Familie bis an den Horizont eines weiten, reichen Lebens führen. Die Reiserei geht mir manchmal zweifellos auf die Nerven, mit all den Sicherheitsmaßnahmen, ohne die es heute nicht mehr geht. Als reisender Künstler muss man sich von all dem abschirmen, indem man ein Zentrum in sich findet. Und deshalb habe ich ein sehr reiches Leben, eine ganz tiefe Beziehung zu meinen Kindern und meiner Familie und – was mir ungeheuer wichtig ist – einen Freundeskreis. Allerdings einen begrenzten, weil ich in dieser Angelegenheit wegen meiner ständigen Reisen grenzwertig zuverlässig bin.

NEWS: Ist ein Künstler ein besonderer Mensch?

Hampson: Man muss für sich selber eine andere Struktur finden. Ich nehme meinen Beruf sehr ernst. Es ist nie nur ein Job den ich mache, wenn ich beispielsweise nach London fliege und Mahler singe. sondern verbunden mit höchster Verantwortung. Das ist mein Leben, und das Leben eines Künstlers ist eher Berufung als Beruf.

NEWS: Sind Sie immer noch deklarierter Schüssel- und Morak-Anhänger?

Hampson: Wie ich schon öfters öffentlich gesagt habe, bin ich ein großer Bewunderer von Wolfgang Schüssel. Aber es wird Ihen nicht gelingen, mich zu überreden, die Alltagspolitik zu kommentieren. Weder in Österreich noch in Amerika.

NEWS: Aber sie sagten mir einmal, sie stünden der ÖVP näher, weil Liberalismus und Selbstbestimmung Inbegriffe Ihres Denkens wären.

Hampson: Mir geht es um das Individuum. Das Individuuum muss in der Gemeinschaft geborgen sein und unterstützt werden, das ist klar. Das nenne ich aber Freiheit und nicht Liberalismus. Aber ich bezweifle, dass ein System über eine große Zahl an Menschen gestülpt werden kann. Das freie Denken, die freie Entscheidung sind für mich das Wichtigste. Mit Parteien hat das nichts zu tun. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die Demokratie mit Toleranz und Kompromiss übersetzt. Wir beide können z.B. 180 Prozent verschiedener Meinung sein und trotzdem bei einem Kaffee zusammensitzen. Leider scheint mir die Demokratie weltweit eher zu einer Fussballclubmentalität zu neigen.

NEWS: Wir stehen vor einem Mozart-Jahr. Welchen Stellenwert nimmt Mozart für Sie ein?

Hampson: Mozart ist zur allgemein beliebten kulturellen Ikone der Welt und zum Kommerzphänomen geworden. Wenn überhaupt noch etwas massenhaft verwertbar ist, so ist es Mozart, den jeder zu kennen glaubt, auch, wenn er keine Ahnung von ihm hat. Doch was Mozarts Genius uns angeboten, wie er unser Denken, unser Fühlen verändert hat, das ist unbeschreiblich. Er ist der glückhafteste Beweis der Veredelbarkeit des Menschen. Ich sehe den bevorstehenden Mozart-Hype unaufgeregt, mache selbst aber nur gerade soviel mit, dass ich hinter dem seichten Getöse seine die letzten Dinge berührende Bedeutung kenntlich machen kann. Ich mache zur Salzburger Mozart-Woche die große Geburtstagsfeier mit Muti und dann im Sommer wieder den “Don Giovanni”.

NEWS: Was sagen Sie zum umstrittenen Projekt, da alle 22 Mozart-Opern szenisch zu zeigen?

Hampson: Die Entscheidung ist gefallen, alles ist sehr ordentlich geplant und die Aufgabe gewaltig. Also bin ich froh, in diesem Umfeld der Welt eine der wichtigsten Opern Mozarts in einer spannenden, umstrittenen Inszenierung zeigen zu dürfen. Ich bin dabei und stehe dazu und halte es für sinnlos, sich jetzt bis zum Ende dieser Festspiele in Schimpfen und Misstrauen zu ergehen.

NEWS: Sind Sie mit dem Regietheater schon etwas versöhnt?

Hampson: Das ist ein Missverständnis. Ich habe keine Probleme mit dem Regietheater, nur mit schlechtem Theater, das eine Sprache verwendet, die mit der Sprache des Stücks nichts zu tun hat. Wir sind in der Oper zu sehr auf die Handlung fixiert und so abhängig vom Visuellen, dass wir die Sprache der Musik nicht mehr verstehen. Die Oper hat mit den fundamentalen Dingen des Menschseins zu tun, nicht mit der Abhandlung von Banalitäten, wie wir sie täglich im TV bekommen.

NEWS: 2007 übernimmt Jürgen Flimm die Salzburger Festspiele. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm? Und singen Sie wirklich zur Eröffnung “Eugen Onegin”?

Hampson: Ich kenne Flimm gut und habe gern mit ihm gearbeitet. Die Kommunikationsbasis ist gesund, und wir sind im Gespräch über Vieles. Entschieden ist nichts, zumal ja Flimm und sein neuer Konzertchef Markus Hinterhäuser sehr spät bestellt wurden. Ich finde es übrigens durchaus spannend, gesund und toll, dass ein Musiker ins Team gekommen ist. Er ist mir immer als kluger Kopf erschienen, und seine Ansichten zum Repertoire gefallen mir.

NEWS: Stimmt es, dass Sie für ein Jahr die Leitung der Pfingstfestspiele übernehmen? Man spricht von 2007.

Hampson: Das ist ein Angebot, das ich gern angenommen habe. Es geht wohl darum, die Pfingstfestspiele von der Problematik und der Konzeption für dieses Jahr zu leiten. Die Details sind aber noch nicht ganz ausgefeilt. Für mich ist das eine sehr spannende Aufgabe, eigentlich die logische nächste Etappe nach meinen Projektzyklen, die ich in Salzburg seit einigen Jahren veranstalte.

As Don Giovanni. With Ildebrando D'Arcangelo.

NEWS: Sie scheinen überhaupt vielen der ideale Opern- oder Festspielleiter.

Hampson: Im Augenblick bin ich ja noch ganz kräftig unterwegs – und was in zehn, fünfzehn Jahren ist … Es fehlt mir nicht an Möglichkeiten.

NEWS: Sie werden doch nicht Golf-Profi werden wollen?

Hampson: Warum nicht? Es gibt eine ganz große Seniors’ Tournee.

NEWS: Vielleicht lieber doch ein Opernhaus?

Hampson: Aber nur mit Golfplatz.

NEWS: Das geht in Wien aber schlecht.

Hampson: Warum? Rund um die Hofburg ließe sich schon etwas machen! Aber im Ernst: Warum wollen Sie mich in diese Ecke treiben? Eine Schule zu leiten, ein Konservatorium zu gründen, ein Opernhaus zu führen, ein Konzerthaus zu leiten, die großen kulturpolitischen und humanitären Aufgaben in Europa und Amerika … Sicher ist: Ich bin ein Künstler, und da liegt meine Verantwortung in der Gesellschaft. Im Moment bin ich jedenfalls äußerst gebucht und denke an alles, nur nicht an die Pension.
Heinz Sichrovsky