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Spazieren mit Lenny

Interview aus der Zeitschrift Wien Live, Ausgabe November 2005
Mit 1,95 Metern überragt Starbariton Thomas Hampson allein optisch andere Sänger. Wien live fragte ihn nach seinen Stärken und Schwächen.

Für die Titelrolle in Verdis „Simon Boccanegra“ hat sich Kammersänger Thomas Hampson sogar einen Bart wachsen lassen. „Er wird nach der Aufführungsserie wieder abrasiert“, lacht der 1,95 m große Sänger. Im Dezember debütiert er nicht „nur“ als „Falstaff“, sondern steht neben Ildikó Raimondi, Toni Stricker und den Wiener Sängerknaben bei „Christmas in Vienna“ auf der Bühne.

Verdis „Falstaff“ ist eine der begehrtesten Rollen in der Oper. Was fasziniert Sie an dieser Figur?
Ich bin sehr von der gleichen Begeisterung eingenommen, die Verdi selbst für sein Werk und den Stoff empfand. Es ist ein humorvolles Stück, das natürlich auch Drama und Tragödie in sich trägt; aber auch Banalitäten und Absurditäten. Ich versuche, den Humor und die große Humanität dieses Charakters aufzuzeigen, ohne in schenkelklopfende Vordergründigkeit zu verfallen. Das ist die große Gefahr des Stücks. Ich will Falstaff nicht tiefgründiger erscheinen lassen, als er ist, aber auch nicht banaler. Die Inszenierung scheint dem Rechnung zu tragen. Falstaff ist eine enorme Herausforderung, aber den Wunsch, diese Partie zu singen, trage ich seit Jahren in mir.

Sie haben sich jetzt aber auch bei „Christmas in Vienna“ engagiert, Ihr Anliegen?
Es wird ein Konzert werden, das sich, wie es immer meine Idee war, auf Wiener Komponisten konzentriert. Zu meiner großen Freude habe ich Künstlerkollegen gefunden, die es mir erlaubt haben, für meine Wahlheimat einen Abend zusammenzustellen, der die Geburt Christi in aller Demut und aller Heiterkeit feiert. Mit Ausschnitten aus Opern wie Humperdincks „Hänsel und Gretel“ werden wir auch Teile des Abends in ein berührendes Märchen verwandeln. So wie wir das als Kinder zu Weihnachten erlebt haben.

Sie haben zuletzt Programme zum Thema „Verboten und verbannt“ konzipiert. Nach welchen Schwerpunkten haben Sie die Komponisten dafür ausgewählt?
Ich versuche den Grundfragen nachzugehen: Welche Vorurteile tragen wir in uns, wovor fürchten wir uns und wie können Ablehnung und Hass entstehen? Seien es Lieder von Zemlinsky, Schubert oder Korngold – ich versuche auf diese Art, den Dialog mit diesen Fragen zu führen; und dabei zum Nachdenken anzuregen. Ich hoffe, es gelingt.

Bleibt Wien Ihr künstlerisches Zentrum?
Ja, auf alle Fälle. Ich bin stolz, in Amerika aufgewachsen zu sein und die Literatur, die Musik kennen gelernt zu haben, und kann heute die Brücke zu den deutschsprachigen Dichtern und Komponisten herstellen, wie ich das ja auch in meiner „HAMPSONG-Foundation zur Erforschung, Förderung und Verbreitung des Liedes und des Liedgesanges“ mache. Ich bin gerne in Wien zu Hause, in meiner Bibliothek. Ich bin ein Bücherwurm. Da ich viel unterwegs bin, aber immer gerne wissenschaftlich arbeite, baue ich mir nun eine eigene Cyber-Bibliothek auf, damit ich Daten und Fakten von überall abrufen kann.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Auf jeden Fall ungeduldig. Ich bin sowohl im Positiven wie auch im Negativen ungeduldig. Ich bin leidenschaftlich neugierig und – so hoffe ich – verständnisvoll. Astrologisch heißt das Krebs, der ja bekanntlich so sensibel ist, dass er sich selbst beleidigt … (lacht)

With Lenny

Ihr Lieblingsplatzerl in Wien?
Ich liebe und brauche die Natur, um mich orientieren, um nachdenken zu können. Ich gehe mit dem Golden Retriever, dem siebenjährigen Hund meiner Tochter Catherine, Lenny, spazieren. Lenny wurde übrigens nach Kravitz, nicht nach Bernstein benannt…

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Wie entspannen Sie sich?
Ich mache täglich Konditionstraining und spiele leidenschaftlich gerne Golf – das Problem ist nur, dass ich viel zu wenig Zeit zum Üben habe. Zwischendurch surfe ich dann stundenlang im Internet, um zu sehen, was es Neues gibt. Aber ich schaue mir auch wahnsinnig gerne Filme an – mein Geschmack ist da sehr breit, bis hin zu Actionfilmen.

Wie haben Sie private Aufregungen zuletzt in Salzburg weggesteckt?
Man könnte durch solche Aufregungen von seiner Arbeit abgelenkt werden. Aber ich versuche, dass ich total fokussiert bleibe auf das, was ich als meine Lebensaufgabe sehe:das Singen, das Studieren, die Auftritte – das ist mein Leben. Dort bekomme ich meine innere Ruhe, bin eins mit mir selbst.