Salzburgs Zukunft: Zeit der Künstler?
“Die Salzburger Festspiele sind schließlich kein Sommerzirkus’ Thomas Hampson, oft als neuer Festspielintendant genannt: Weshalb er nicht zur Verfügung steht. Und was er gern täte.
Als wir ihn zum Gespräch erreichen, bereitet er gerade die Londoner “Arabella’-Premiere vor. Dann geht es endlich heimwärts. Thomas Hampson, 48, überglänzt das Liedprogramm der Wiener Festwochen (3., 18. Juni, Musikverein) und dominiert die Salzburger Festspiele auch, wenn er dort in der Oper nichts zu tun hat: Seine Konzertauftritte (u. a. mit den Philharmonikern und Harnoncourt) sind auch in diesem Sommer verlässliche Höhepunkte. Doch heuer ist manches anders: Salzburg sucht einen neuen Intendanten ab 2007, und Hampson wird vielerorts als erstklassige Lösung genannt. Wir fragten nach.
NEWS: 2006 singen Sie in der Wiener “Arabella’-Premiere. Da wird vor allem der Dirigent Franz Welser-Möst interessant. Sie können nicht schlecht miteinander, wie man hört.
Hampson: Ich halte Welser-Möst für einen der wichtigsten Dirigenten unserer Zeit in der so genannten jungen Generation. Wir sind sehr gut befreundet und einander auch musikalisch sehr verbunden. Wir haben einige sehr erfolgreiche Projekte wie Verdis “Macbeth’ an der Zürcher Oper zusammen gemacht, der ja auch als DVD erschienen ist. Mit Benjamin Brittens “War Requiem’ haben wir in Cleveland ein erstes gemeinsames Projekt verwirklicht.
NEWS: Wie jeder weiß, ist er für Salzburg im Gespräch. Sie allerdings auch. Sind Sie in dieser Hinsicht womöglich Konkurrenten?Hat jemand bei Ihnen angefragt?
Hampson: Es hat keinerlei Gespräche von offizieller Seite mit mir gegeben. Ich bin mit Salzburg sehr verbunden und der größte Fan dieses Festivals, und die Frage nach der neuen Führung beschäftigt mich natürlich. Aber: Ich bin in erster Linie Sänger und habe vor, noch die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre diesen Beruf auszuüben. Als Intendant – und das gilt nicht nur für Salzburg – stehe ich daher derzeit nicht zur Verfügung.
NEWS: Wie soll die Struktur der Festspiele aussehen?
Hampson: Das kann ich nicht beurteilen. Die Struktur muss aber die Durchsetzung des künstlerischen Konzepts ermöglichen. Die Kunst und die Künstler müssen im Mittelpunkt stehen und an den Entscheidungsprozessen beteiligt sein.
NEWS: Zum Beispiel durch einen Beirat, in dem die Besten säßen? Wären Sie dazu bereit?
Hampson: Einer solchen Verantwortung könnte ich mich wahrscheinlich nicht entziehen. Aber wer mich kennt, weiß ohnehin, dass mich diese Fragen außerordentlich beschäftigen. Ein Anliegen von mir wäre, dass das Konzertrepertoire wieder mehr ins konzeptionelle Zentrum rückt.
NEWS: Wie sollen die Salzburger Festspiele nun aussehen?
Hampson: Es ist das Wichtigste, sich den künstlerischen Ansprüchen und Zielen und der unverwechselbaren Identität dieses weltbesten Festivals zu unterwerfen. Salzburg ist in der Welt aus zwei Gründen einmalig: wegen seiner Tradition und Geschichte – und wegen des höchsten künstlerischen Anspruchs. Hier wurde immer das Beste vom Besten geboten, Kunst in ihrer höchsten Ausprägung, definiert unter anderem durch die Väter Hofmannsthal und Richard Strauss. Dafür sind die Menschen dann auch bereit, sehr viel Geld zu bezahlen. Ich finde es naiv und beleidigend, ein solches Publikum der Schickimicki-Szene zuzurechnen, für die der Inhalt dieses Festivals bedeutungslos ist. Salzburg muss einzigartig sein, wesentlich anders als jede Opernsaison und keinesfalls ein Sommerbetrieb als Teil der weltweiten Opernindustrie. Ich wünsche mir, dass die dort tätigen Künstler sich auch wieder dieser Verantwortung bewusst werden. Natürlich, die Welt ist nicht mehr dieselbe wie vor 25 Jahren. Selbst wenn Karajan aus dem Grab stiege, müsste er sich in einer neuen Situation zurechtfinden.
NEWS: Welser-Möst hat im NEWS-Interview weniger Aufführungen, aber die auf höchstem Niveau gefordert.
Hampson: Da spricht er mir aus der Seele. Salzburg ist kein Sommerzirkus. Kunst ist nicht nur Unterhaltung. Sie ist mehr als eine Freizeitbeschäftigung und keinesfalls als Alternative zum Rollerblade-Fahren oder zum Fernsehen zu sehen. Kunst untermauert und unterstützt die Auseinandersetzung mit unserem inneren Sein. Für diese Auseinandersetzung muss Salzburg stehen. Es darf kein Ort werden, in dem Unterhaltung und Events dominieren.
NEWS: Ruzickas 22 Mozart-Opern im Jahr 2006 scheinen dem aber zu widersprechen.
Hampson: Ein Kommentar steht mir eigentlich nicht zu. Die Entscheidung ist gefallen, und ich denke, jeder Künstler wird sich bemühen und sein Bestes geben, damit dieses Abenteuer gelingt. Ich selbst habe mich entschlossen, nur eine der Produktionen zu singen, nämlich die “Don Giovanni’-Wiederaufnahme. Die Rolle des “Figaro’- Grafen habe ich nicht zuletzt deshalb abgelehnt, weil meine künstlerische Lebensplanung vorsieht, diese Rolle nicht wieder ins Repertoire zu nehmen.
NEWS:Wie wichtig sollte das Experiment in Salzburg sein? Die “Entführung aus dem Serail’ im Vorjahr ist ja tumultös verlaufen.
Hampson: Ich bin keineswegs avantgardefeindlich und halte Experimente für sehr wichtig. Aber manchmal kommt es mir so vor, als würde man krampfhaft um Aktualisierung bemüht sein, und ich bezweifle in vielen Fällen deren Notwendigkeit. Auftragswerke hingegen sind ein notwendiger und sehr wichtiger Bestandteil dieser Festspiele und haben eine sehr lange und erfolgreiche Tradition in Salzburg.
NEWS: Wie sehen nun Ihre eigenen Pläne aus? Ihre weltweiten Kreise führen gerade nach London zur “Arabella’-Premiere.
Hampson: Eigentlich eine Wiederaufnahme, denn es handelt sich um eine Koproduktion zwischen Paris und London. Die Londoner Premiere steht jetzt bevor. Nächstes Jahr kehren wir wegen des ungewöhnlichen Erfolgs 2002 nach Paris zurück. Karita Mattila in Höchstform, Barbara Bonney, Diana Damrau, Peter Mussbach als Regisseur, von Dohnanyi am Pult eine wahre Luxusbesetzung.
NEWS: Dann bereiten Sie Verdis “Falstaff’ vor – ein enormer Sprung. Wann kommt der?
Hampson: Im Dezember 2005 unter Daniele Gatti an der Wiener Staatsoper. Ich bin jetzt bei dem Repertoire angelangt, in dem ich mich wohl fühle. Die Projekte der nächsten fünf Jahre machen mich sehr glücklich: immer wieder der Mandryka und der Amfortas, den ich auch in der Mielitz- Inszenierung an der Wiener Staatsoper übernehmen werde, immer wieder – nächstens an der Met in New York – der Wolfram im “Tannhäuser’. In London kommen “Maskenball’, ein neuer “Macbeth’ und “Simon Boccanegra’, mit dem ich von Wien aus um die Welt gegangen bin. Darüber hinaus denke ich natürlich über zukünftige Rollen und Projekte nach: Es ist nicht unvorstellbar, dass irgendwann der Sachs aus den “Meistersingern’ in mein Leben kommt. Aber das hängt in erster Linie davon ab, in welche Richtung sich meine Stimme weiter entwickelt. Extrem wichtig ist mir das Konzertrepertoire. Liedtourneen werden in meiner Saisonplanung in einem größeren Ausmaß als bisher vertreten sein. Und natürlich wird die Arbeit im Rahmen meiner Foundation “Hampsong’ einen beachtlichen Teil meiner Zeit in Anspruch nehmen. Wir planen unter anderem Multimedia-Projekte, Forschungsaufträge, ein Online-Liedarchiv und Meisterklassen. Mit anderen Worten: Ich bin gut ausgelastet.