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Opernwerkstatt Waiblingen – Die singende Maultasche

Rondo Magazin

Jedes Jahr unterrichtet Weltstar Thomas Hampson hier junge Sänger im Operngesang. Wir haben mit ihm gesprochen.

RONDO: Herr Hampson, Waiblingen unweit von Stuttgart, das dürfte ein Mekka der Maultaschen sein. Gut für die Stimme?
Thomas Hampson: Berechtigte Frage. Entscheidend und wichtig für jeden Sänger ist: Diät. Als ich anfing, gab es noch nicht so ein Bewusstsein wie heute über Laktose- oder Gluten-Intoleranz. Ich bin selbst betroffen und musste es auf die harte Tour lernen. Mein Schwiegersohn Luca Pisaroni wiederum isst vor Vorstellungen eine ordentliche Portion Pasta: mediterrane Diät. Maultaschen halte ich für stimmlich eher unbedenklich. Will aber einräumen, dass ich mit fetten Speisen aufpassen muss.

In Waiblingen geht es um Opern, nicht um Lied. Macht das einen Unterschied?
Singen ist singen. Wir arbeiten – aktuell an Mozart – auf ein Abschlusskonzert hin. Die Internationale Opernwerkstatt Waiblingen findet dieses Jahr zum dritten Mal statt. Ich bin begeistert, wie die Stadt Waiblingen sich einsetzt. Meine Kollegin Melanie Diener hatte ursprünglich die Idee zu diesem Projekt, die ist ja hier zu Hause. Melanie und ich wollen in Waiblingen unsere Erfahrungen weitergeben.

Sie waren vielleicht der prägende Don Giovanni Ihrer Generation. Ihr Höhepunkt?
Ja, nicht zuletzt dank meines Mentors Nikolaus Harnoncourt. Ich hatte aber auch das Glück, mit Legenden, wie James Levine, Riccardo Muti und Wolfgang Sawallisch zusammenarbeiten zu dürfen. Sehr unterschiedliche Gletscher! Es war jedes Mal Bergsteigen, in unterschiedlichen Hochgebirgen.

Gute Stimmen gibt es immer genug. Hat sich die Arbeit mit jungen Sängern trotzdem verändert?
Ein bisschen. Junge Sänger wissen heute manchmal nicht, wie sehr Singen athletische Anforderungen an sie stellt. Es ist wichtig zu wissen, wie viele Rippen wir haben und wie der Lungensack funktioniert.

Wofür muss man die Zahl der Rippen kennen?
Für die Stütze. Singen ist nicht nur Produktion eines Atemstromes. Als guter Sänger kannst du vor einer Kerze singen, ohne dass sie ausgeht. Mein Tenorkollege, Andreas Schager hat das unlängst auf Facebook wunderbar demonstriert. Das bringt der Rippenkäfig zustande. Oben ist Luft, unten ist die Verdauung. Die Muskelspannung dazwischen müssen wir halten.

Nur ein geringer Prozentsatz Ihrer Schüler macht Karriere. Frustrierend?
Ich bin Gesangspädagoge und Profi-Sänger, bin aber kein Agent. Ich will helfen, das Beste aus bestehenden Voraussetzungen zu machen. Dass der Opernmarkt wesentlich härter geworden ist, kann ich leider nicht ändern.

Sie selbst waren ein berühmter Schüler von Elisabeth Schwarzkopf. Braucht man große Lehrer?
Man braucht vor allem fähige Lehrer. Noch wichtiger als die Schwarzkopf war für mich eine Nonne in Washington, die noch bei Lotte Lehmann studiert hatte und mir die Grundlagen beigebracht hat.

Die Schwarzkopf schlug gegenüber Schülern einen schonungslosen Ton an. Ginge das heute noch?
Ich weiß nicht recht. Großartig bei solchen Lehrern war die Ernsthaftigkeit, die sie besaßen. Ich zitiere gern die Kollegin Brigitte Fassbaender: „Wir werden hart arbeiten, ich bin wahnsinnig pingelig und stur. Aber ich bin: wohlmeinend.“

Als Sie in den 80er Jahren debütierten, war sofort klar, wen man da vor sich hatte. Wie viele Sekunden brauchen Sie, um große Sänger zu erkennen?
Etwas länger. Ich muss die Zukunft ahnen. Ich muss ein bisschen Diamantenschneider sein. Nur ob Gestaltungswille da ist und ein gewisses Material, das höre ich sofort.