Kultur24 Berlin: Thomas Hampson mit neuem Programm „Freiheit“
Der weltbekannte Bariton Thomas Hampson sang gestern im Prinzregententheater in München sein neues Liedprogramm „Freiheit“.
Ja, es gibt sie, die Sternstunden, in denen Gedanken und Gefühle in Musik verwandelt die Herzen erreichen und plötzlich sieht man die Welt mit anderen Augen! Gestern passierte genau dieses Wunder im Münchner Prinzregententheater , als der nach einer Knieoperation, wie er selbst sagte „ neugeborene“ Thomas Hampson zusammen mit Wolfram Rieger am Klavier, sein neues Liedprogramm vorstellte!
Mit sehr persönlichen Worten erklärte Hampson zu Beginn und nach der Pause, worum es den Dichtern und Komponisten der teils europäischen, teils amerikanischen Lieder geht und man spürte, wie sehr er sich mit dem Thema Freiheit und Menschenrechte identifiziert. Von der Freiheit der Gedanken im Widerstand , der Freiheit des „Zigeunerlebens“ und der Freiheit des sterbenden Soldaten im Krieg bis zum Kampf um die Freiheit im amerikanischen Civil War und der Leidenschaft , mit der Abraham Lincoln sich für seine Idee der Freiheit einsetzte– immer war es Thomas Hampson, durch dessen Gesangskunst die Bilder mit Leben erfüllt wurden. Man wünschte diesem engagierten Konzertprogramm eine weite Verbreitung und – eine DVD, in der der Sänger noch mehr über das sprechen könnte, was dieses Liedprogramm so außergewöhnlich und so wesentlich macht.
Die liebevollen Zugaben mit amerikanischen „Hits“ waren ein zauberhaftes Dankeschön an ein ungeheuer gespanntes und begeistertes Publikum, das seine Emotionen im jubelnden Applaus freien Lauf lassen konnte.
„Freiheit“ – so der Titel des Abends – war mit allen Sinnen zu spüren, als Hampson mit seiner legendären, immer wieder verzaubernden Stimmschönheit und seiner charismatischen Ausdrucksstärke ein Programm von Gustav Mahler über Antonin Dvorak bis zu Leonard Bernstein sang, das zum größten Teil in Deutschland unbekannt ist. Ein Wagnis – wie er selbst es nannte. Aber jede Kunst ist ein Wagnis – oder sie ist überflüssig! Diese Liedkunst ist unbedingt notwendig!
Seit dreißig Jahren fasziniert der amerikanische Bariton sein Publikum auf der ganzen Welt mit seiner beeindruckend schönen Stimme, seinem Charisma und nicht zuletzt mit seiner Leidenschaft für die verbindende Wirkung der Musik. Man kennt ihn als großen Menschendarsteller auf den Opernbühnen – erwähnt sei hier nur sein unvergessener Rodrigo in der Salzburger „Don Carlo“- Inszenierung von Peter Stein – , aber darüber hinaus gilt seine besondere Liebe dem Liedgesang . Thomas Hampson ist ein Weltenwanderer, der Grenzen zwischen Menschen und Gedanken nicht gelten lässt. Seine Arbeit bringt es mit sich, dass zwischen den Kontinenten umherfliegt wie andere Menschen zwischen Vorort und City. Privat ist er in New York und teilweise in Zürich zuhause.
Interview
Kurz vor seinem Konzert in München führte ich ein Interview mit Thomas Hampson.
„Freiheit“ -die Überschrift des Konzertes, dessen Programm Thomas Hampson wie alle seine Liedprogramme selbst zusammen gestellt hat, ist bezeichnend für den Künstler, der dessen temperamentvoller Enthusiasmus im Gespräch geradezu ansteckend wirkt:
„Es ist ein berührendes Konzert, fast möchte ich sagen, ein unterhaltendes, obwohl ich dieses Wort nicht mag.“ Auch wenn die Abfolge auf den ersten Blick ein wenig wissenschaftlich wirkt – im ersten Teil deutsche und im zweiten Teil amerikanische Lieder – so ist doch der Leitfaden „Freiheit“, der sich wie ein roter Faden durch die Texte und Melodien zieht, für jeden Menschen ein Teil seines Lebens, seiner Sehnsucht, seiner Hoffnung. Freiheit als Kaleidoskop- von der Freiheit der Gedanken, über die Freiheit des einzelnen gegen Unterdrückung , von der politischen Freiheit bis zur Freiheit in der Partnerschaft – wir kommen nicht umhin, uns auf vielen Gebieten mit diesem Thema auseinander zu setzen und genau das will Hampson mit den Mitteln der Musik tun. Seine Kunst , das wird deutlich, ist eng mit Philosophie verbunden. Thomas Hampson singt nicht in erster Linie, um die Schönheit seiner Stimme zu präsentieren, sondern weil er einen Auftrag hat, dem er gerecht werden will. Er will überzeugen von der Kraft der Musik, von der Energie der Lieder, die Menschen zu einander und zu sich selbst führen kann.
„Die Lieder und die Künste überhaupt sind die Evidenz unseres Lebens und nicht umgekehrt!“ sagt er und man spürt, wie viel Herzblut in diesen Satz einfließt.
Die Frage nach dem Unterschied zwischen europäischer und amerikanischer Liedkultur beantwortet er mit weitem Blick über den musiktheoretischen Tellerrand: „Jede Epoche, jeder Stil ist abhängig von den äußeren Umständen der Menschen und insofern bilden sich unterschiedlichen Liedsprachen heraus, je nachdem , wie und wo die Menschen leben. Jede Kulturepoche ist der Spiegel der Welt. Der historische Kontext ist wichtig und macht das Lied lebendig für das Publikum, aber bei allen Unterschieden zwischen den Epochen und Stilen – letztlich ist das Lied Ausdruck menschlicher Empfindungen und Menschen sind Menschen, überall und immer.“
Komponisten und Dichter, die ihre Künste im Lied zusammenfließen lassen, so sagt Hampson, sind die Chronisten unseres Lebens, sinnstiftende und existentiell notwendigen Zeugen für uns alle. Um diese Kunst weiter leben zu lassen, allen kommerziellen und modischen Bedenken zum Trotz, hat er 2003 die „Hampson Foundation“ gegründet, die die Bedeutung aller, nicht nur der amerikanischen Lieder , in die Welt hinaus tragen will.
Die Kunst von Thomas Hampson, das ist der Eindruck , der mir im Laufe des Gespräches deutlich wurde, geht über die Schönheit seiner Stimme und seine musikalische Hochbegabung weit hinaus. Er ist im besten Sinne ein philosophischer Weltverbesserer, ein Philanthrop , der an die Macht der Musik glaubt und seine Ideale mit der Sprache des Gesangs ausdrückt. Mit Inbrunst unterrichtet er in seinen Liedakademien junge Sänger, die an seiner Statt die Saat weiter tragen , die er sät.
„Es geht darum, sein Ich zu fnden durch die Musik und dadurch vielleicht ein etwas besserer, friedfertigerer Mensch zu werden.“
Nächste Vorstellung:
Thomas Hampson & Wolfram Rieger: „Freiheit“, Kongresshaus Stadthalle Heidelberg, am 19.04.2018 um 19.30 Uhr
Mit Liedern von:
- Teil: Franz Schubert, Gustav Mahler, Alexander Zemlinsky, Paul Hindemith
- Teil: Charles Ives, Jennifer Higdon, Henry Burleigh, Margaret Bonds, Jean Berger und Leonard Bernstein
English translation
Thomas Hampson with new program „Freedom“
The world-famous baritone Thomas Hampson sang yesterday at the Prinzregententheater in Munich with a new program.
Without a doubt, Thomas Hampson is one of the greatest opera and lieder singers of our time. For thirty years, the American baritone has been captivating audiences around the world with his impressively beautiful voice, charisma and passion for the connective effect of music. He is known as a great human actor on the opera stages – to mention is only his unforgotten Rodrigo in the Salzburg „Don Carlo“ – directed by Peter Stein – but beyond his special love is for „Lieder“. Thomas Hampson is a worldwalker who does not accept boundaries between people and thoughts. His work entails flying between the continents like other people between the suburbs and the city. Privately he is in New York and partly in Zurich at home.
Interview
Shortly before his concert in Munich, I had an interview with Thomas Hampson:
„Freedom“ -the title of the concert, which shows Thomas Hampson’s new program, like all of his song programs, is characteristic for him.
„The songs and the arts in general are the evidence of our lives and not the other way around!“ He says and you can feel how much passion goes into this sentence.
He answers the question of the difference between European and American song culture with a broad view of the theoretical disciplines: „Every era, every style is dependent on the external circumstances of the people and thus different languages of song are formed, depending on how and where the people live. Every cultural epoch is the mirror of the world. The historical context is important and brings the song to life for the audience, but with all the differences between the eras and styles – after all, the song is an expression of human sentiments and people are human, everywhere and always. “
Composers and poets who let their arts flow together in song, says Hampson, are the chroniclers of our lives, meaningful and existentially necessary witnesses for all of us. To further this art, despite all commercial and fashion concerns, in 2003 he founded the „Hampson Foundation,“ which aims to bring the meaning of all, not just American songs, into the world.
The art of Thomas Hampson, that is the impression that became clear to me in the course of the conversation, goes far beyond the beauty of his voice and his musical giftedness. He is in the best sense a philosophical reformer of the world, a philanthropist who believes in the power of music and expresses his ideals with the language of song. With fervor, he teaches in his song academies young singers, who in his stead carry on the seed that he sows.
„It’s about finding one’s self through music, and perhaps becoming a slightly better, more peaceful person.“
Next performance
Thomas Hampson & Wolfram Rieger: „Freiheit“, Kongresshaus Stadthalle Heidelberg, on 19.04.2018 at 19.30
With songs from:
Part 1: Franz Schubert, Gustav Mahler, Alexander Zemlinsky, Paul Hindemith
Part 2: Charles Ives, Jennifer Higdon, Henry Burleigh, Margaret Bonds, Jean Berger and Leonard Bernstein