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Das Ende vom Lied

Dass Thomas Hampson für ein von (mittlerweile gleichwertiger) Konkurrenz bedrängtes Höchstpreisfestival ein Glücksfall ist, hat in den achtzehn Jahre seines Salzburger Wirkens noch keiner bestritten. Kein Kritiker, kein Intendant, vermutlich auch kein Besucher: Der amerikanische Bariton, seit kurzem 50, ist ein publikumsmagnetischer Star von ressortübergreifender Leuchtkraft, der für stimmliches Hochkarat, Charisma, Intellektualität und Unverwechselbarkeit steht.

Auch heuer ist er zentrale Persönlichkeit der Festspiele: Er singt zur Eröffnung Strauss-Lieder in der elektrisierenden Kombination mit den Wiener Philharmonikern und Christian Thielemann; er ist der Vater Germont im sich allmählich zum Großzirkus verselbständigenden “Traviata’-Spektakel mit Anna Netrebko; und sein selbst konzipiertes “Hampson Project’ ist, ebenso wie sein Liederabend, verfolgten Komponisten zugedacht. 2006 tritt er wieder in Harnoncourts/Kusejs “Don Giovanni’ an. 2007 aber, mit Beginn der Ära Jürgen Flimm, ist es vorbei. Es stimmt, bestätigt er im NEWS-Gespräch: “Über die Festspielsommer ab 2007 gibt es mit mir seitens der Direktion keine Gespräche.’ Das “Hampson Project”? “Findet heuer zum letzten Mal statt.”

Sich schon angebahnt habende Probleme wurden offenbar, als am 22. Juni eine seltsame Meldung des Salzburger Pressebüros in die Welt ging: Wegen eines Projekts zur Präsentation amerikanischer Liedkunst sei Hampson in den USA derart unabkömmlich, dass er die Leitung der Pfingstfestspiele 2007 zurücklegen müsse. Die Idee der neuen Intendanz war als Coup gefeiert worden: Jedes Jahr solle ein anderer Künstler dem unterbelichteten Pfingstfestival das erforderliche Leuchten verleihen. Hampson, von Flimm stets als Eckpunkt seines weltumspannenden Netzes von Künstlerfreundschaften namhaft gemacht, sollte den Anfang machen. Dass ein Profi der obersten Spielklasse ein solches Projekt einfach absagen würde, schien unglaubwürdig. Und in der Tat: “Das Projekt in Amerika ist meine Erfindung und mir sehr wichtig, hat allerdings mit der Sache um die Pfingstfestspiele nur am Rand zu tun. Die Aussendung der Festspiele wurde leider nicht mit mir abgesprochen: Es stimmt nicht, dass ich in Amerika eine Pressekonferenz gegeben habe. Ich war zu dieser Zeit krank in Österreich. Es stimmt auch nicht, dass ich die Pfingstfestspiele, die eher ein verlängertes Wochenende sind, abgesagt habe. Ich habe sie nicht angenommen, weil ich sie nicht annehmen konnte.’

Weshalb? “Nur zum Beispiel: Meine Position war nie definiert. Wäre ich Intendant, Berater, künstlerischer Betreuer gewesen? Allein das zu definieren hätte ungeheuer viel Zeit gekostet, die ich wegen anderer Projekte nicht habe. Pfingsten ist eben eine Veranstaltung des Salzburger Festspieldirektoriums, und ich bin ein Künstler, ein Vermittler, und kein Veranstalter. Aber ich betone, dass ich weder beleidigt noch mit Flimm im Bösen verblieben bin.”

Womöglich noch heikler ist Hampsons Fehlen im Opernprogramm. “Das scheint wohl so zu sein. Wiewohl ich Salzburg liebe, steht es mir auch keineswegs zu, Kritik zu üben, denn jede neue Intendanz geht ihren eigenen Weg und bevorzugt ihre eigenen Künstler. Ich bin auch überzeugt, dass das neue Team die Festspiele mit allen Kräften und Fähigkeiten leiten wird.’ Zusatz: “Und ich bin gespannt, welcherart die Zukunft dieses Festivals sein wird. Ich bin nämlich in keinerlei Planung einbezogen.’

Und das ist schlecht: Dass ein über Jahre ausgebuchter Sänger vom Rang Hampsons in den Festspielsommern 2007 und 2008 überhaupt noch für eine Oper verfügbar sein könnte, darf nach Branchen-Usancen als unwahrscheinlich gelten. “Abgelehnt’. Aber war da nicht von der Titelrolle in Tschaikowskys “Eugen Onegin’ unter Daniel Barenboim und Andrea Breth die Rede? “Das stimmt. Ich hatte es mit Flimm besprochen, doch im Herbst begannen die Probleme. Kürzlich sagte Frau Breth in NEWS, dass sie für das Projekt noch gar nicht zugesagt hat. Das hat mich gewundert, denn sie war es, die mich abgelehnt hat, weil ich während der fünf vollen Probenwochen zwei längst unterschriebene Konzerte in London und Barcelona habe. Im Mai habe ich von Flimm die endgültige Absage bekommen. Bis jetzt gibt es mit den Festspielen keinen Kontakt mehr über irgendetwas nach 2007.’

“Entscheidungen’. Und dieses Vorgehen kommt zur Unzeit: Hampson, der im Juni 50 wurde und nach einer lang verschleppten Stimmbandinfektion mehrere Wochen Pause einlegen musste, nutzte die Zeit zum Nachdenken. “In nächster Zeit werde ich einige Entscheidungen über meine Zukunft treffen, denn ich mache zu viel. Ich nehme keine Engagements mehr an, in deren Planung ich nicht einbezogen bin. Selbst in Salzburg wird es höchste Zeit, mich zu fragen, was ich singen möchte. Aber dieser Wunsch läuft gegen die Entwicklung des Geschäfts: Die Zusammenarbeit zwischen Gestaltern und Ausführenden funktioniert nicht. Man braucht uns, weil jemand singen muss, und als Kartenverkäufer sind wir auch gut. Das Wichtigste ist, dass wir anpassungsfähig sind und nicht stören.’

Noch ein Wort zu Salzburg? “Die Eigenart beginnt zu verschwinden, der Unterschied zwischen Festspielen und einer Veranstaltung im Sommer, die auch in einem normalen Opernhaus stattfinden könnte. Die Karten sind konkurrenzlos teuer, aber die Produktionsbedingungen für die Künstler und das Programm unterscheiden sich immer weniger von denen eines Opernhauses. Dabei sollte es um Visionen und Prinzipien gehen, die vielleicht sogar mit der Politik des Kartenverkaufs kollidieren. Wenn es noch einen Ort auf der Welt gibt, wo man sich das leisten können muss, ist das Salzburg.’

Die Konsequenzen sind unmissverständlich: Seine Tätigkeit wird sich noch deutlicher auf Wien, Zürich und die “Met’ in New York konzentrieren. Dazu kommen fallweise London und San Francisco. Das Verhältnis zwischen Opern- und Liedgesang wird konsequent mit je 50 Prozent festgesetzt. Neue Rollen, erste Regie. Es wird neue Rollen geben: Verdis “Falstaff’ – Neueinstudierung unter Daniele Gatti im Dezember an der Wiener Staatsoper – wird er vorerst nur sechsmal singen, um den Grenzgang dann in Ruhe zu bewerten. Der größten aller Herausforderungen, dem Hans Sachs in Wagners “Meistersinger’, wird er auf die Dauer nicht widerstehen wollen. Das Angebot, die dreifache Mörderpartie des Wotan im “Ring’-Zyklus konzertant zu singen und aufzunehmen, liegt vor. Die Wiener Staatsoper will von ihm zwei seiner Glanzpartien, den Mandryka in Strauss’ “Arabella’ unter Welser-Möst und Verdis “Macbeth’ unter Muti.

Und auch ganz Neues steht an: Die erste Regiearbeit ist ihm angeboten und interessiert ihn sehr. “Einerseits herrscht Originalklangfetischismus. Keine Abweichung vom Urtext ist mehr erlaubt. Andererseits hatte Opernregie nie so wenig mit Musik zu tun wie heute. Da könnte ich eine andere Perspektive offerieren.’ Wie steht es mit der Leitung eines Opernhauses? “Dafür habe ich im Moment zu viel Lust am Leben.

Aber in Zukunft? Ich habe Herausforderungen sehr gern. Allerdings gibt es nicht nur Opernhäuser, sondern auch hoch interessante Ausbildungsstätten für junge Künstler.’ Vielleicht inskribiert dort ja auch der eine oder andere ältere Intendant.