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Bariton Thomas Hampson: Der Amerikaner und das deutsche Lied

Gerade rechtzeitig zum großen Mahler-Jubiläum 2010/11 kehrt der führende Vokalinterpret seiner Werke in die Mahler-Stadt Wien zurück. Es wäre schlicht unvorstellbar gewesen, die Fest-Saisonen ohne den Bariton Thomas Hampson – Wahl-Wiener im Geiste und phasenweise in realità – in Wien zu begehen!

Wien Exclusiv

Am 7. Juli 2010 jährte sich der 150. Geburtstag des im böhmischen Dorf Kalischt zur Welt gekommenen „Weltschmerz- Komponisten“. Am 18. Mai 2011 wird des 100. Todestages des in Wien Verstorbenen gedacht. Zum Jubiläumsauftakt war Thomas Hampson an der exklusiven Adresse präsent und bestritt das Geburtstagskonzert in und bei Mahlers Geburtshaus in Kalischt, etwa 200 km von Wien Richtung Prag gelegen. Fernsehstationen und Presse waren anwesend, um für die Musikfreunde den Auftakt der Mahler-Feiern festzuhalten.

Seine Auseinandersetzung mit Gustav Mahlers Schaffen und sein unermüdlicher Einsatz für dessen Verbreitung waren stets wesentliche Bestandteile von Hampsons Künstlertum. Legendär sind seine Einspielungen der „Lieder eines fahrenden Gesellen“, der „Kindertoten- und Rückert-Lieder“ mit seinem Mentor Leonard Bernstein.

Der große Dirigent und Komponist war neben dem Böhmen Rafael Kubelik und dem Ungarn Georg Solti ein Protagonist der Mahler-Renaissance der 1950er bis 1970er Jahre. In seinen letzten Lebensjahren zählte Thomas Hampson zu seinen Lieblingssängern.

Diese erste Mahler-Welle stellte vor allem Ekstase und Leid in den Mittelpunkt ihrer Interpretationen. Die Verwendung des Adagiettos der Fünften Symphonie in Luchino Viscontis Leinwandepos nach Thomas Manns „Tod in Venedig“ prägte das schwelgerische Mahler-Bild der Siebzigerjahre. Musik, die einen in andere Bewusstseinswelten führen kann, und die dennoch auf einfachen, dem Volkslied entnommenen Motiven fußt. Aus dem Kleinen ins Große wachsend, sich aus dem Konkreten ins Abstrakte weitend: Mahlers Musik fasziniert den Zuhörer und fordert ihn gleichermaßen.

Der „europäisierte“ Amerikaner Thomas Hampson erlag dieser Faszination ab seinem zwanzigsten Lebensjahr. Seitdem beschäftigt er sich unermüdlich mit Mahlers Schaffen, hat Unendliches für dessen Popularisierung und Verstehen geleistet. „Mahler hat uns gelehrt, dass alles über das Leben in einer Symphonie gehört werden kann. Getreu dieses alles beinhaltenden Geistes umfasst seine Musik die Tragödie und Nichtigkeit des Lebens ebenso wie seine unermessliche Schönheit.“ Freilich bedarf es eines Interpreten von Format, um dem Zuhörer den Zugang zu einer tieferen Beschäftigung mit derart komplexer Musik zu eröffnen. Melodie, Harmonie und Rhythmus sprechen laut Hampson eine eigene Sprache, die kennenzulernen sich bezahlt macht. „Erforschen Sie Ihr Leben durch das Werk von Gustav Mahler“ lautet die Aufforderung des Künstlers an sein Publikum. Er vergisst nicht hinzuzufügen, dass diese Auseinandersetzung nicht mit Unterhaltungsberieselung zu verwechseln ist. Damit spricht er eine Tatsache aus, die von einem Publikum, das Musik rein passiv konsumiert, ungern gehört wird. In Wien kommt diese Botschaft zumeist an. Das hiesige Publikum lässt sich mitnehmen auf die musikalische Entdeckungsreise zu einer Seelen-Selbstbeschau.

Mahler hat viel zu erzählen über Existenzfragen und Seelenzustände der Menschen, speziell derer, die in der Stadt Sigmund Freuds aufgewachsen sind.

„Mahler hat uns gelehrt, dass alles über das Leben in einer Symphonie gehört werden kann. Getreu dieses alles beinhaltenden Geistes umfasst seine Musik die Tragödie und Nichtigkeit des Lebens ebenso wie seine unermessliche Schönheit.“

„Leider bin ich ein eingefleischter Wiener“

Mahler brachte seine Beziehung zu Wien mit diesem Satz auf den Punkt. Vielleicht könnte sich auch Thomas Hampson dieser Aussage anschließen. Eine Zeit lang hat er eine Wien-Pause eingelegt. Nun kommt es mit der Stadt zu einer umso heftigeren Umarmung. Sie findet in einem ganzen Thomas-Hampson-Zyklus im berühmten Goldenen Saal des Musikvereins ihren sichtbaren Ausdruck. Zentraler Komponist der vier Abende ist – wie könnte es anders sein – Gustav Mahler.

Mit drei Orchestern widmet sich Thomas Hampson den berühmten Liedzyklen.

Die Wiener Philharmoniker sind quasi das „Originalklang-Orchester“ für Gustav Mahler. Dessen Charakter schwebte dem Komponisten wohl beim Verfassen seiner Tongemälde vor. Unter der Leitung von Mariss Jansons bringt Hampson mit den Wienern den ersten Zyklus „Lieder eines fahrenden Gesellen“ zur Aufführung. In ihm schildert der Komponist – ähnlich wie Schubert in seiner „Schönen Müllerin“ und der „Winterreise“ – eine Wanderschaft, in der der Protagonist sich seinem Liebesschmerz hingibt.

Seit bald 25 Jahren existiert das Gustav Mahler Jugendorchester. Die Gründer Hans Landesmann und Claudio Abbado versuchten noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs im Geiste Mahlers künstlerische Verbindungen zwischen jenen Ländern aufzubauen, die im Lebensweg des Komponisten eine zentrale Rolle spielten und damals durch hermetische Grenzen brachial voneinander abgeschnitten waren: Böhmen, Österreich und Ungarn. Heute ist das Orchester ein gesamteuropäisches und eines der führenden seiner Art. Mit dem amtierenden Musikdirektor der Pariser Oper, Philippe Jordan, bringt man das schwermütige Spätwerk „Lied von der Erde“ zu Gehör. Und ehe der renommierte Liedinterpret gemeinsam mit seinem Klavierbegleiter Wolfram Rieger den Zyklus beschließt, reist aus seiner US-amerikanischen Heimat eines der „Big Five“-Orchester an. New York Philharmonic, zu den fünf führenden Klangkörpern des Landes zählend, kommt mit seinem neuen Chefdirigenten Alan Gilbert. Gemeinsam widmet man sich den „Kindertotenliedern“. Dazu äußerte sich Thomas Hampson einmal wie folgt: „Da geht es vom Dunkel zum Licht, vom Schmerz hin zur Erlösung der Gedanken, von der verdammten irdischen Existenz zur Hoffnung auf ein anderes Leben. Es ist nur mit Liebe und Wille zu schaffen. Da passt er perfekt zu Goethes Faust. Der sagt: Wir kommen, um zu gehen. Was dazwischen liegt, das ist, was uns betrifft. So ist die Musik Mahlers.“