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“Planet der Affen als Oper? Bin dabei!”

Star-Bariton Thomas Hampson singt in Zürich «Faust» und findet, Klugheit nütze ihm dabei wenig

Einen Bariton wie Thomas Hampson, 51, hat es seit Dietrich Fischer-Dieskau nicht mehr gege ben. Die Zahl seiner CD-Erfolge ist Legion. In Dutzenden Opernrollen stand er seit 1981 in aller Welt auf der Bühne. Gefeiert wird Hampson auch als Liedersänger, besonders für seine Mahler-, Schubert- und Schumann-Interpretationen. Seit vielen Jahren ist er eine feste Grösse bei den Salzburger Festspielen. Am Opernhaus Zürich ist der amerikanische Superstar ein häufiger Gast – jetzt in der Titelrolle der Oper «Doktor Faust» von Ferrucio Busoni.

Thomas Hampson, Sie gelten als kluger, reflektierter Sänger. Ist das ein Vorteil?

Nein, überhaupt nicht (lacht). Sänger sind Erfüllungsgehilfen des Theaters, zumindest heutzutage. In fünfzig Prozent aller Fälle könnte ich ebenso gut ein Analphabet sein. Denn das Denken wird doch vom Regisseur übernommen.

In Zürich treten Sie seit über zwanzig Jahren auf. Woher kommt diese Anhänglichkeit?

Man hat mich hier früh engagiert. Grischa Asagarow, der damalige Hauptassistent von Jean-Pierre Ponnelle, hatte schon mein Abschlusskonzert 1980 in den USA gehört. Zugleich habe ich Elisabeth Schwarzkopf in San Francisco kennen gelernt. Zu ihr bin ich oft nach Zumikon gefahren. Die Zürcher Oper ist das einzige Haus der Welt, in dem ich seit Beginn meiner Karriere jede Saison aufgetreten bin. Wenigstens mit einem Liederabend oder einer Wiederaufnahme.

Sie singen in Zürich den Intellektuellen schlechthin: «Doktor Faust». Ein Gipfel?

Ja, ein einsamer. Aber Klugheit würde mir wenig nützen. Gesang ist keine Vermittlung von Information. Als intellektuelle Leistung betrachtet, ohne Gefühle und Emotionalität wäre Gesang bedeutungslos.

Doktor Faust war eine Paraderolle von Fischer-Dieskau. Seine Aufnahme dieser Oper war nach dessen eigener Einschätzung die beste, die er je gemacht hat. Kann man dagegen ankommen?

Es macht die Sache nicht leichter. Aber einen persönlichen Härtetest habe ich schon hinter mir. Mein Berlin-Debüt 1985 fand an seiner Seite statt. Das war schlimm! Danach haben wir viel miteinander diskutiert, er war überaus nett und hat mich stark unterstützt.

Haben Sie wegen der Musik Deutsch gelernt?

Nein, ich hatte eine sehr gute Deutschlehrerin im Internat, eine Deutsche. Ich bin in sehr strengen protestantischen Verhältnissen aufgewachsen. Latein galt dort als erster Schritt zum Vatikan. Und der war das Allerschlimmste. So kam Deutsch zum Zuge.

Ihre ersten Schallplatten haben Sie als Bach-Sänger bei Nikolaus Harnoncourt gemacht. Waren Sie glücklich?

Ich war eher deprimiert, denn ich fand mich völlig ungenügend. Ich hörte zum ersten Mal meine Stimme auf Band und war sehr enttäuscht. Ich fand, dass ich nicht im selben Atemzug genannt werden dürfte wie Harnoncourt oder der Concentus Musicus. Ich dachte: Da sitzen Menschen, die gemeinsam mehr vergessen haben, als ich jemals lernen kann.

Ihr Zürcher «Faust»-Regisseur Klaus Michael Grüber ist einer der Protagonisten eines revolutionären Regietheaters. Wie kommen Sie zurecht?

Ich stürze mich da voll rein. Schon lange habe ich nicht mehr so arbeiten können. Auf die Regie selbst kommt es bei Grüber nicht an. Was sucht Faust? Was fürchtet er? Das sind unsere Fragen. Ich bin grundsätzlich nicht bereit, einfach darzustellen, was ein Regisseur richtig findet. Ich brauche keine Regie, die «Rigoletto» auf den Planeten der Affen versetzt.

Sie meinen wie bei Doris Dörries «Rigoletto»- Inszenierung in München?

Ein Blödsinn! Warum schreiben wir dann nicht gleich eine «Planet der Affen»-Oper? Das wäre eine gute Idee. Ich wäre dabei!

Als Affe?

Na klar. Und nicht nur wegen Charlton Heston, der übrigens ein grosser Lieder- und Lyrikfan ist.

Sind Sie ihm mal begegnet?

Ja, bei einem Liederabend. In Waffenfragen waren wir uns nicht einig. Aber Heston ist ein faszinierender Mann. Als Schauspieler viel besser denn als Politiker.

Glauben Sie, dass die Oper für kommende Generationen noch zu retten ist?

Wir müssen verdammt aufpassen. Die Oper gerät immer stärker in Gefahr, eine beliebige Kunstform zu werden. Busoni hat Musik als spirituelles Ereignis aufgefasst. Fast als eine Weihung der Seele. Ich bin süchtig nach dem Mysterium. Man sollte nicht so viel erklären im Theater.

Keine Vermittlung?

Nein. Musik wird heute zu stark in etwas anderes verkehrt, finde ich. Wichtiger als die Stücke ist die Regie geworden. Immer häufiger kommt es darauf an, wie jemand aussieht.

In letzter Zeit wurde ein Hype um Opern-Events veranstaltet, zum Beispiel um die Salzburger «Traviata» mit Anna Netrebko, Rolando Villazon und Ihnen. Nützt so etwas?

Der Hype um ein Kunstwerk hat mit diesem Kunstwerk selbst nichts zu tun. Ich finde Anna Netrebko eine grossartige Sängerin, aber man sollte sie nicht ständig als Vergleichsmassstab bemühen. Sie ist eine Ausnahme.

Ihre Homepage heisst www.hampsong.com Sind Sie so selbstbewusst, wie das klingt?

Ach wo! Ich fand das eine hübsche, ironische Idee und hoffe, dass die Leute es auch so verstehen. «Song» ist im Amerikanischen auch eine Metapher für das Leben. Für «the song of life.»

Klingt trotzdem, als seien Sie eher ein Liedersänger, und das stimmt doch nicht.

Nein, das stimmt wirklich nicht. Ich habe die Trennung, dass jemand ein Opern- oder ein Liedersänger sei, immer abgelehnt. Es gibt keine bessere Grundlage für einen Opernsänger als eine Loewe-Ballade.

Sie haben sich weit bis ins Verdi-Fach vorgewagt. Auch in Zürich als Macbeth. Wo ist Ihre Grenze?

Wahrscheinlich dort. Ich bin ein lyrischer Sänger mit gewissen dramatischen Fähigkeiten. Meine Figuren sind solche, die einen Widerspruch und ein Dilemma in sich tragen. Falstaff möchte ich gerne singen. Jago wäre schwierig. Aber ich glaube, dass ich in einigen Jahren ein guter Hans Sachs in den «Meistersingern» sein kann.

Ausserdem sind Sie leidenschaftlicher Golfer. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Singen und Golf?

Oh, viele. Zum Beispiel ist der Schwung derselbe. Man muss beim Golfen ganz ähnlich atmen wie beim Gesang. Es ist sogar ähnlich anstrengend. Vielleicht schreibe ich darüber einmal ein Buch. Ich habe sogar den Verdacht, dass ich durch Singen mein Golf-Handicap verbessert habe.

Premiere : «Doktor Faust», Opernhaus Zürich am 24. September